Frau W. ist 81. Sie ist eine sehr lebensfrohe Person. Jeden Tag mach sie ihren Spaziergang in den Friedhof. „Grüß euch!“, sagt sie jedes Mal, wenn sie durch das Tor tritt. Sie begrüßt ihre Bekannten, geht durch die Reihen der Gräber, richtet dort Blumen oder gibt Wasser, zündet hier eine Kerze an. Fixe Station ist das Grab ihrer Schwiegertochter, die durch einen Verkehrsunfall ums Leben kam. Sie vermisst sie sehr. Frau W. lebt mit den Lebenden und Toten.
Den Tod fürchten wir wohl alle. Vielleicht hängt unsere Angst vor Corona mit dieser Möglichkeit zusammen!? Nun bat die Regierung die Bischöfe von Feierlichkeiten auf dem Friedhof Abstand zu nehmen. Und die Bischöfe haben Verständnis und sagen alles ab. Nur die Gräbersegnung bleibt –irgendwann. Mir fehlt das Verständnis für dieses Verständnis. Dass es in gewohnter Weise nicht geht ist allen klar. Aber einfach absagen, ohne Alternativen oder andere Formen zu überlegen? Mag sein, dass die Kirche nicht mehr systemrelevant ist. Viele Menschen leben ohne ihr offensichtlich recht gut. Aber die Kirche ist existenzrelevant! Es geht um Leben und Tod! Ist nicht unser Glaube, unsere Hoffnung, dass das Leben stärker ist als der Tod? Hoffen wir vielleicht gar, dass der Impfstoff, auf den wir sehnsüchtig warten, uns vor dem Tod erlöst? Ein Narr, wer solches denkt! Wie also leben mit Corona?
Frau W. wird wie viele andere auch am Tag Allerheiligen am Friedhof sein, wahrscheinlich mit Maske und auf Abstand. Sie wird dort ihre Bekannten treffen, ohne kirchliche Begleitung, und „Grüß euch!“ sagen, zu Lebenden und Toten.