Kriegsmüde

– das ist das dümmste von allen Worten,
die die Zeit hat.

Kriegsmüde sein, das heißt
müde sein des Mordes,
müde des Raubes,
müde der Lüge,
müde der Dummheit,
müde des Hungers,
müde der Krankheit,
müde des Schmutzes,
müde des Chaos.

War man je zu all dem frisch und munter?

So wäre die Kriegsmüdigkeit wahrlich ein Zustand,
der keine Rettung verdient.
Kriegsmüde hat man immer zu sein,
das heißt, nicht nachdem,
sondern ehe man den Krieg begonnen hat.
Aus Kriegsmüdigkeit werde der Krieg nicht beendet,
sondern unterlassen.

Karl Kraus, Die Fackel, 23.5.1918